Dienstag, 1. Juli 2008
Es ist sinnlos, teure, vermeintlich hochwertige Technik zu
kaufen, es geht ohnehin alles viel zu schnell in die Bohnen.
Die PC-Bestandteile, die am ehesten den Geist aufgeben, sind
die virtuellen Verlängerungen der Hände: Mäuse
und Tastaturen. Circa jedes zweite Jahr ist eins von beiden
fällig. (Das Tastenbrett, das man hier rechts oben sieht,
gibt es schon seit Jahren nicht mehr.) Heute war es mal wieder
soweit.
Eine Maus war früher ein billiges, klobiges Kästchen
mit einer Kugel unten und zwei Tasten oben, das man auf dem
Tisch umherschubberte, um dem Compi zu sagen, wo es langgeht.
Mittlerweile wurde das Teil aufgemotzt zum Hi-End-Gerät
mit Laser, drehbaren, drückbaren und kippbaren Rollen,
einem halben Dutzend Extraknöpfen und Funkverbindung
– und mit entsprechend potenzierter Störanfälligkeit.
Besonders ärgerlich, wenn man einst eine Maus-Tastatur-Kombination
gekauft hat und nun beide Teile erneuert werden müssen.
Auch die Tastaturen werden
immer ausgefeilter: hömmele Zusatzknöpfe, massig
Displays, ergonomisch geschwungene und orthopädisch wertvolle
Tasten, extraflach und abends mit Beleuchtung. Damit könnte
man ja noch leben: Einfach nicht ignorieren. Aber ein international
operierendes Konglomerat von Sadisten will die Tastatur neu
erfinden und scheut auch vor dem Einsatz von Design nicht
zurück!
Seit grauer IBM-Vorzeit war der Sechserblock mit den Bearbeitungs-
und Navigationstasten in zwei Reihen nebeneinander angeordnet:
Auf einmal gibt's das jedoch in hochkant:
Solch ein Dingen habe ich soeben erworben, denn wer prüft
im Laden schon auf solcherlei unerwartete Unbill? Zunächst
wollte ich dem Teil eine Chance geben, aber man glaubt nicht,
wie oft ich mich verhauen habe. Wie kann man nur so dämlich
sein und die Pos1- und die Einf-Taste vertauscht
anbringen? Noch blöder: Das Siegertreppchen mit den Pfeiltasten
wurde ganz dicht ans reguläre Tastenfeld verschoben,
so dass man ständig die Pfeil-nach-links-Taste
trifft, statt der gewünschten, aber nun nach links gerückten
Strg-Taste.
Also zurück mit dem Driss in den Laden. Dort zeigte
man sich kulant und gab mir eine Gutschrift, so dass ich mir
ein neues Tastenbrett aussuchen konnte. Doch Schock: Fast
alle Tastaturen sehen jetzt so aus!
(Der Gipfel des Schwachsinns sind Tastaturen, auf denen
ein Aus-Knopf direkt neben Enter unangebracht
angebracht ist. Kein »Wollen sie speichern?«,
»Sind sie sicher?«, »Wirklich?«
– die Kiste ist aus, und das war's dann mit den hundertachtzig
Seiten Doktorarbeit.)
Die Begründung für das Design-Verbrechen: Dadurch
würden die Keyboards kompakter. Ach was?! Seit Jahren
müllen uns PC und Peripherie die Schreibtische und Wohnstuben
zu, und auf einmal wird um den Platz Geschiss gemacht? Es
geht hier um die gigantische Fläche von bestimmt vier
Quadratzentimetern. Im Gegenzug werden aber immer neue Knöpfchen,
Hebel, Schalter, Schieber, Rädchen und Regler ersonnen,
mit denen man zur Not auch einen Flugzeugträger steuern
könnte. Manch ein Gamer macht das auch. Aber von Gamern
soll hier nicht die Rede sein, denn die haben sicher jedes
Feature bitter nötig, um böse Feinde, schleimiges
Getier aus dem All und den Leibhaftigen persönlich zu
bekämpfen.
Wenn unterbeschäftigte Produktdesigner mal etwas Sinnvolles
erschaffen wollen, sollten sie mal zusehen, dass der Nummernblock
nicht umgekehrt angeordnet wird wie bei einem Telefon und
dass das wahrlich nicht selten benötigte @-Zeichen keinen
Fingerspagat mehr erfordert. Und eine Any-Key-Taste
gibt es auch immer noch nicht … Aber dafür immer
noch die seniorengefährdende Kombination Strg-Alt-Entfernen
…
Ach ja, gefunden und gekauft hab ich dann eine puristische
Cherry-Tastatur mit Kabel, edel, hilfreich und gut.
Mittwoch, 2. Juli 2008
Vor anderthalb Wochen bekam ich unerwartet Post von der Firma
Lindt & Sprüngli, Abt. Marktforschung. Man
fragte an, ob ich Lust hätte, Schokoladentester zu sein.
Hätte ich.
Will ich doch beteiligt sein, wenn die Maître Chocolatiers
endlich, endlich, endlich Knoblauch-Nuss-Schokolade (©
Rainer Brandt) auf dem Markt bringen. (Nicht lachen: Granatapfel-Chili,
Maracuja-Jalapeño, Mango-Cayenne, Blaubeer-Lavendel,
Limette-Grüner-Pfeffer, Waldfrucht-Rosmarin
und Orange-Thymian gibt es schon!)
Gestern schon kam der Anruf, dass heute Degustation sei.
Hui, knappe Terminplanung, da scheint Gefahr im Verzug zu
sein! Klar, Schokolade ist ein knallhartes Geschäft,
da ist nix planbar von langer Hand. Wobei gerade heute –
mit geschätzten 67 Grad im Schatten bislang heißester
Tag des ansonsten mit Temperaturen eher sparsamen Sommers
– vielleicht nicht die cleverste Wahl für eine
Schokiverkostung ist. Aber bitte. Vielleicht gibt es Eiskonfekt.
Bei Lindt führte man uns Probanden in einen neutralen
Raum (klimatisiert, yeah!), in dem circa 20 Tische standen,
mittels Wänden jeweils hübsch getrennt vom Nebensitzer,
auf dass auch keiner vom anderen abschreibe!
Es gab Nugat. Jeweils zwei Würfelchen von vier neuen
Schichtnugatspezialitäten waren fein säuberlich
wie edles Geschmeide auf einem Teller plaziert. Wenn ich mich
recht entsinne, Schokonugat, Vierschichtnugat, Pistaziennugat
und Nussnugat. (Leider hab ich mich nicht getraut, ein Photo
von diesem netten Arrangement zu machen. Nicht dass ich der
Produktpiraterie geziehen werde oder in die Hölle komme
oder gar aus dem Testesser-Panel genommen werde.)
Nacheinander sollten wir die hochkalorischen Häppchen
in Aussehen, Geschmack und Konsistenz beurteilen. Optik und
Haptik waren leicht zu beschreiben, aber beim Geschmack gehen
einem schon mal die Adjektive aus:
Lecker?
Nussig?
Ein nicht zu schwerer, eleganter Nugat mit starkem Charakter
und facettenreichem Körper, mit betont nussigem Bukett
und harmonischer Süße, von buttriger Schokoladigkeit
im hinteren Gaumendrittel, mit einem Anklang von Vanille und
Krokant, gut eingebundene Röstaromen, rund im Geschmack,
feinste Kakaotöne, lang im Abgang, kann Spuren von Mandeln
enthalten?!
Nugat halt! Sehr guter Nugat zwar, aber doch nur Nugat.
Beim Gehen konnte ich einen Blick auf das verlassene Tellerchen
der Frau in der Zelle neben mir erhaschen: Von allen Würfelchen
hatte sie jeweils nur die untere linke Ecke probiert und dann
wieder exakt auf den Teller zurückgelegt. Das sah aus,
wie von einer Maus angeknabbert. Von einer sehr ordentlichen
Maus.
Muss ich es noch extra erwähnen? Meine Happen habe ich
natürlich allesamt aufgefuttert … Man lässt
doch nichts verkommen. Und es geht doch nichts über ein
ausgewogenes Mittagessen – schließlich waren es
vier verschiedene Sorten!
Der Lohn für eine halbe Stunde Nugatmümmeln waren
zehn Euro in bar sowie ein Gutschein für eine Gratistüte
im Lindt-Werksverkauf nebenan. Perfide Strategie: Natürlich
habe ich beim Einlösen dort einiges mehr ausgegeben …
(Aber der Geheimtipp für den nächsten Sommerurlaub:
Klimatisierte Verkaufsräume – wo Schoki sich wohlfühlt,
fühle ich mich auch wohl.)
Demnächst steht wieder eine Verkostung an, wenn ich
will, Thema Vollmilch. Was schreibt man denn dann? Völlig?
Milchig? Ich brauche ein Synonymwörterbuch!
Freitag, 4. Juli 2008
Sie haben es schon wieder getan: Nachdem die ARD-Tagesthemen
während der EM eine falsche Deutschlandflagge eingeblendet
hatten (wir berichteten nicht), moderierte Tom Buhrow
gestern erneut unter falscher Flagge. Wahrscheinlich hat ein
amerikophiler Infografiker einen Workshop für Fahnendesign
und Heraldik belegt und den »Stars & Stripes«
als Präsent zum heutigen Independence-Day einen weiteren
Streifen spendiert.
Samstag, 5. Juli 2008
Sonntag, 6. Juli 2008
Hitler geköpft! Schade. Was vor 75 Jahren eine schöne
Sache gewesen wäre, ist heute nur ein Fall für die
Restaurierungsabteilung bei Madame Tussauds in Berlin.
Montag, 7. Juli 2008
Eine mir nahestehende Persönlichkeit hat einen dauerhaften
Ortswechsel vollzogen. Paradox: Im Hochparterre wurde eine
Kellerwohnung frei, und die neue Straße ist nicht die
Neustraße.
Anlass war unter anderem ein garstiger Nachbar. Mit Nachbarn
kann man Glück haben, mit Nachbarn kann man aber auch
Pech haben. Hier der ist schuld daran, dass man Nachbarschaft
auch NachbARSCHaft schreibt.
(Es gibt auch neutrale Nachbarn: Von denen hört und
sieht man jahrelang nichts, und dann werden sie von Krawallmagazinen
interviewt und sagen so Sätze in die Puschel wie: »Das
kann ich mir gar nicht vorstellen«, »Das
war immer so ein Netter« und »Nein, wir
haben uns nichts dabei gedacht, als er die siebte Tiefkühltruhe
gekauft hat«. Danach guckt die Moderatorin immer
kurz betroffen auf ihren Spickzettel, murmelt »Tja«,
»Tz« oder »Schlimm so was«,
um daran nahtlos anschließend irgendeinen Senf aus der
Welt der Schönen, Reichen und Bekloppten zu kolportieren.)
Dienstag, 8. Juli 2008
»Sein Name ist Lang. Thomas Lang.« Einen
Roman, dessen Klappentext so beginnt, den muss ich doch einfach
kaufen, oder? Wenn der Autor dann auch noch Hugh Laurie heißt,
ist der Fall klar: Doktor House kann auch schreiben!
Die Klappentextdichter hingegen nicht. Auf deren Salbader
bezieht sich wahrscheinlich der Titel, »Bockmist«.
Man sollte sich dadurch keinesfalls vom Impulskauf abschrecken
lassen. Auch nicht von der auf dem Umschlag abgebildeten Unterhose.
(Wenn einem Grafiker partout nichts einfällt, soll er
mit geschlossenen Augen auf die Pantone-Farbtabelle darten
und den Einband dann uni streichen und nicht Herrenunterbekleidung
einscannen.) Aber, die inneren Werte zählen. Ziellos
vorm Buchregal umherstreifend kann man also gefahrlos dem
ungerichteten Appetenzverhalten nachgeben.
Eigentlich wollte der gute Hugh beginnen, Tagebuch zu schreiben
– löblich! –, dabei stellte sich jedoch heraus,
dass er sein eigenes Leben langweilig fand. Also erfand er
eines. (Jetzt ist auch klar, warum ich noch keinen Roman fertig
habe.) Zunächst dachte er sich für seinen Helden
diesen hervorragenden Namen aus, und dann versah er ihn mit
einer abwechslungsreichen Vita, voller geheimer Mächte,
tödlicher Gefahren, Frauen, das ganze Programm. Eine
Inhaltsangabe schreibe ich jetzt nicht, wir sind hier ja nicht
im Deutsch-Grundkurs. Die Handlung eiert mitunter zwar etwas,
birgt aber ein Sommergewitter von Geistesblitzen und grandiose
Formulierungen, von denen ich ganz sicher mal welche klauen
werde, wenn gerade keiner guckt.
Freitag, 11. Juli 2008
School's out for summer, school's out forever.
Sonntag, 13. Juli 2008
Diesen Sommer wird mehr gelesen als geschrieben. Um die Pause
bis zum nächsten Tommy-Jaud-Roman zu füllen, dient
»Nicht mein Tag« von Ralf Husmann. Auch
er ein Fernsehmensch, der mit »Anke«, »Stromberg«
und »Dr. Psycho« seine Lorbeeren verdient
hat und sich entspannt drauf ausruhen könnte, hier aber
ein leicht zu lesendes Roadmovie in Buchform vorlegt.
Die Geschichte fängt stark an, flacht zum Ende hin
leider ab. Der Trip ist zu konstruiert und das Verhalten des
Protagonisten – »Held« wäre das falsche
Wort – nicht gerade nachvollziehbar.
Selbstmitleidtouren eines Enddreißigers scheinen derzeit
ein beliebtes literarisches Sujet zu sein. (Dabei kann das
jeder zuhause in echt haben, wenn er will. Man hat sich inzwischen
daran gewöhnt, von Angehörigen einer unwesentlich
jüngeren Generation mit »Sie« angesprochen
zu werden. Und zuckt noch nicht einmal, wenn ältere Damen
in der Bäckerei sagen, der junge Mann sei dran.)
Aber was soll's, auch wenn die Story insgesamt schwächelt,
die einzelnen Sätze sind sehr lesbar.
Sonntag, 20. Juli 2008
Flohmarkt rund um den Dom:
Montag, 21. Juli 2008
Im leider vergriffenen Buch »Die Printen-Connection«
von Carsten Berg geht es um – was wohl? – des
Aacheners liebstes Gebäck, die Printe.
Ein Journalist aus der Marzipanstadt Lübeck soll eigentlich
nur einen Artikel über den neuesten Kreation eines Bäckers
aus der Printenstadt Aachen schreiben, gerät dabei aber
in mysteriöse Verwicklungen. Wie in allen lokalkolorierten
Krimis kann man die beschriebenen Wege originalgetreu mitgehen,
und die ortstypischen Namen (Delzepich, Sistenich, Noppeney,
Plum, Mandelartz, Lammerskötter, Savelsberg) sorgen
für heimelige Vertrautheit.
Natürlich habe ich bei der Lektüre immer ein Tütchen
mit Printen in Griffweite. Wer jetzt sagt, Printen seien nur
etwas für die Weihnachtszeit, dem sei gesagt, Printen
schmecken ganzjährig. Vielleicht mutiere ich aber auch
einfach nur langsam zum echten Oecher. Obwohl, bei elf Grad
und Dauerregen – weihnachtlicher wird es auch Weihnachten
nicht.
Dienstag, 22. Juli 2008
»Sie
haben Post!« Heute vor zehn Jahren hörte ich
diese nette AOL-Stimme zum ersten Mal, denn solange bin ich
nun online. (Also nicht ununterbrochen seit dann; mit kurzen
Unterbrechungen halt, damit das Modem mal ins Abklingbecken
kann.)
Für die Spätgeborenen: Damals war das Internet
noch schwarzweiß, mono und sendete nachts ein Testbild.
Ich hatte vorher viel drüber gelesen und gehört,
mir aber gedacht, das geht vorbei. Die Neugier überwog
irgendwann. Ich wollte es schließlich doch einmal ausprobieren,
dann würde ich später sagen können, ich sei
auch dabei gewesen.
Ich kaufte ein Modem (nominell schnuckelige 56 Kilobit pro
Sekunde, erreicht hat es durchschnittlich 3,5 kb, mit Rückenwind
auch schon mal mehr), installierte es, schob eine der elfundneunzig
AOL-CDs, die sich während der letzten drei Wochen im
Briefkasten angesammelt hatten, ins Laufwerk und starrte auf
die drei sich auf dem Monitor (15-Zoll, Röhre) aufbauenden
Bildchen, während das Modem verzweifelt versuchte, den
gleichen Ton wie sein Gegenüber zu pfeifen.
Das Pfeifen wurde stabil – ich war das erste Mal »drin«.
Online, im WWW, im Netz, im Web, auf der Datenautobahn (wie
ein verschnarchter Begriff von damals lautete; und Autobahnen
waren einem regierenden Regenten zufolge Ländersache
…) – die webwide World des worldwide Web stand
mir weit offen.
Nun ja, zunächst erst mal nur im quietschbunten Nichtschwimmerbereich
von AOL … Für die Einwahl ins Internet brauchte
man jahrelang eine proprietäre Software, ohne die es
nicht möglich war, AOL zu nutzen. Mittlerweile braucht
man die nicht mehr, ich nutze sie aber weiterhin. Ich möchte
auf die nette Stimme, die einen begrüßt und elektronische
Post verheißt, nicht verzichten. (Auch wenn man inzwischen
AOL-CDs, mit denen man damals zugeschissen wurde, heute nur
noch auf Flohmärkten und bei Ebay bekommt.) Außerdem
kann ich nur damit die archivierten E-Mails der letzten zehn
Jahre lesen.
Es wurde und wird viel über AOL gelästert. Bis
auf ein paar Bugs in der Anfangszeit kann ich mich dem eigentlich
nicht anschließen. Immerhin war man immun gegen die
irgendwann aufkommenden Dialer. Außerdem wären
einem über die Jahre einige der exquisitesten Fehlermeldungen
entgangen.
Ich bin AOL also zehn Jahre treu geblieben, AOL sich selbst
jedoch nicht, denn im eigentlichen Sinne gibt es das gar nicht
mehr. Meine erste E-Mail-Adresse nutze ich nach wie vor, auch
wenn ich zwei Dutzend weitere Accounts habe, von denen aber
niemand sonst was weiß.
Onlinegehen
war damals noch ein teurer Spaß: Im zweiten Monat, nachdem
ich die 50 Gratisstunden abgesurft hatte, bekam ich eine Rechnung
über 250 Mark. (Chat! Teufelszeug. Nichts hält besser
vom Leben ab als dieser Zeitstaubsauger.) Die Preisstruktur
war aber auch gänzlich anders als heute: Die Online-Stunde
kostete »nur 8 Pf. pro Minute«, also satte 4,80
D-Mark. Hinzu kamen jedoch noch die Telefongebühren für
ein Ortsgespräch. (Wenn man denn so clever war, sich
nicht in ein anderes Ortsnetz einzuwählen …) Hier
war der Telekom-»Mondscheintarif« ab 21 Uhr hilfreich,
tagsüber zu surfen wäre der pure Luxus gewesen.
So gesehen waren die 250 Ocken eigentlich ein Pfurz im Wind:
Gerade mal 52 Stunden im Monat online – das schaffe
ich heute am Tag.
Als Kollateralschaden litten die analogen Kontakte zu den
Nicht-Online-Freunden: Denn während man surfte, konnte
keiner anrufen. Handys waren damals aufgrund ihrer Kosten
unerschwinglich und aufgrund ihrer Größe eher für
die Abwehr nächtlicher Angreifer geeignet.
Der Weg vom Rezipienten zum Produzenten war kurz: Meine erste
Homepage folgte schon ein halbes Jahr danach.
Mittwoch, 23. Juli 2008
Backyard-News: Die Vegetation im Hinterhof trotzt dem Kahlschlag
vom Februar, der feucht-warme Sommer lässt das Kraut
ins Kraut schießen.
Donnerstag, 24. Juli 2008
Es ist schon eine Frechheit, was manche Dealer mit ihren
Süchtigen machen!
Eine tagesaktuelle Marktübersicht:
- Müller:
34,99 €
- Amazon.de: 36,99
€
- Mediamarkt: 39,99
€
- Saturn: 44,99
€!
Der Sommer fehlt zwar noch, aber das Sommerloch ist schon
da: In Berlin soll ein Obama gesichtet worden sein!
Auf seiner Reise durch die größten Krisengebiete
dieser Welt machte JF Obama heute auch Station bei der Fanmeile
an der Siegessäule, fortan Straße des 24. Juli,
und 200.000 Pilger schenkten ihm ein paar schöne Bilder
in der goldenen Abendsonne für den Wahlkampf zuhause,
auf dass er Nummer 44 werde.
Er soll aus einem Rosinenbomber namens »Obama One«
abgeworfen worden sein, kann aber auch sein, dass er über
den Wannsee gewandelt kam, da ist man sich noch nicht einig.
Yes, we can. Nun wird alles gut. Ein Deutscher gewinnt die
Tour-Etappe nach Saint-Étienne, die Bergsteiger, die
dem Nanga Parbat zeigen wollten, was für Eier sie haben,
sind gerettet, der seit Jahren vom UN-Kriegsverbrechertribunal
gesuchte Radovan Karadic alias Nikolaus wurde festgenommen
– sogar das Wetter ist besser geworden!
Fünf deutsche Sender übertrugen die Barack'n'Roll-Show
live. Hey, der ist noch gar kein Präsident, der ist noch
nicht mal nominiert. Der ist noch Senator in Illinois, also
maximal Kandidatenkandidat.
Alle waren gespannt: Welche in Gold zu meißelnden Worte
würde er uns wohl schenken: »Ich bin ein Berliner«
oder »Tear down this wall!« oder »Ich
bin schwul und das ist auch gut so« oder »Und
das ist der Wahrheit«? Ich kann es nicht sagen,
denn ich habe diesen ruhmvollen und glorreichen Augenblick
verpasst. Was sag ich bloß meinen Enkeln?
Erwähnte ich es schon? Mir sind solche Heilsbringer
suspekt.
(Schon sein Slogan »time for change«: Das
heißt doch nichts anderes als Zeit für Wechselgeld.
Dann doch lieber dieses Steve-Martin-Double wählen.)
Freitag, 25. Juli 2008
Ziemlich genau auf halber Strecke zwischen meinen zwei Heimaten
und mitten im Nationalpark Eifel befindet sich Vogelsang.
Früher hieß es »Camp Vogelsang«
und war ein Truppenübungsplatz des belgischen Militärs,
noch früherer hieß es »Ordensburg Vogelsang«
und war eine Schulungseinrichtung für den Parteinachwuchs
der NSDAP. Heute entwickelt man es zum »Internationalen
Platz« als Stätte der Begegnung und der Bildung
und nennt es schick »vogelsang ip«.
Ein Besuch nebst fundierter Führung dort lohnt sich.
Ich bin schon dutzendfach dort vorbeigefahren und hatte keine
Ahnung, wie nah sich gewaltige und gut erhaltene NS-Hinterlassenschaften
befinden. Gespenstisch. Sonst denkt man dabei doch eher an
Berlin oder Nürnberg. Die geräumige Anlage im erkennbaren
Nazi-Architektur-Stil liegt erhaben auf einem Berg über
dem Urftstausee. Ja, da ließen sich leicht Herrenmenschen
formen. Die Pläne – die zum Glück nicht fertig
umgesetzt wurden, wie unser ambitionierter Führer (Fremdenführer!)
nicht müde wurde zu betonen – waren freilich noch
gigantischer.
(Damit wir einen Eindruck von der damaligen Ideologie und
Indoktrination bekämen, spielte er für die, die
das noch nicht wussten, eine Rede von Adolf Hitler vor, in
der dieser sein völkisches Ideal proklamierte und die
jener auf seinem Handy gespeichert hatte. Ich dachte nur:
Krasser Klingelton …)
Samstag, 26. Juli 2008
Happy 30th Birthday, Beate!
Mithilfe eines raffinierten Tricks (Urlaub in Indonesien)
ist heute jemand einer Feier entgangen. Aufgrund eines
miesen Tricks (Urlaub in Indonesien) ist heute jemandem
eine Feier entgangen. Pah, dann trinken wir eben so ein
Kirmesbier auf Dein Wohl, Prost!
Die touristischen Angebote der näheren Umgebung nutzt
man nicht genug. Weil sie zu nah sind, weil sie ja eigentlich
für Touristen da sind – und weil man finstre Erinnerungen
an lästige Wandertage zu Schulzeiten mit ihnen verbindet,
als man wirklich genug damit zu tun hatte, zu pubertieren.
Wie schön, wenn man sie nun mit klarem Verstand, ausgeglichenem
Hormonhaushalt, und freilich vollkommen freiwillig erneut
wahrnehmen kann. Zum Beispiel das Rheinische
Freilichtmuseum in Kommern. Dutzende originale Gebäude
auf dem Areal, gruppiert nach Herkunft aus Westerwald,
Eifel, Niederrhein und Bergischem Land,
verdeutlichen das Leben in alter Zeit. (Von der Einrichtung
der meisten Häuser – Tisch, Stuhl, Truhe, fertig
– könnten sich heutige Innenausstatter gerne mal
inspirieren lassen.) Allerdings gemahnt die dargestellte Kargheit
zu Demut: Man lernt Kühlschrank, elektrisches Licht,
Wasserklosett, volle Schaufenster und polyphone Klingeltöne
erst richtig zu schätzen. Damals ging die meiste Zeit
für alltäglichste Verrichtungen drauf.
Nach soviel Altem schauten wir uns noch etwas Junges an:
Und freuten uns abends, dass wir im Trockenen saßen:
Sonntag, 27. Juli 2008
Wenn man einen Geier in dieser Perspektive photographieren
kann, hat man ein Problem … Und damit meine ich nicht
mangelnde Bildschärfe!
Zum Glück befand ich mich bei der Aufnahme nicht dem
Verdursten nahe in einer kargen Wüstenei, sondern auf
der guten alten Kasselburg,
die man als Eingeborener viel zu selten besucht. Denn den
Doppelturm zu erklimmen ist erhebend und die Flugschau ist
exquisit – mit Vögeln kann man viel Spaß
haben.
Aus der oben dargestellten prekären Lage entkam ich
übrigens auf hemdsärmeliges Anraten der Falknerin
mittels eines eiligen Kniefalls, voller Demut vor den zweieinhalb
Meter weiten Schwingen seiner aasfressenden Majestät:
»Ziehen Sie die Köpfe ein, die Jungs können
nicht ausweichen!«
Neben anderem liebreizenden Getier gibt es auch karnivore
Kaniden sowie deren Fütterung zu sehen. Und diesmal,
Dr. House, ist es Lupus!
Und zwar Canis lupus. Die Timberwölfe im Gehege
leben in einem komplizierten sozialen System, dagegen ist
das Familienrecht aus dem BGB ein Klacks: Nur das dominante
Alpha-Paar im streng hierarchisch gegliederten Rudel zeugt
die Nachkommen, der Rest muss sich unterordnen, bei Unklarheiten
über die Rangordnung finden bei Isegrims daheim lupenrein
demokratische Neuwahlen in Form von verbissenen Debatten statt.
Neben dem Alphamännchen (Nudge, Nugde, say no more) hat
das Omegamännchen die interessanteste Rolle im Rudel.
Es ist meist ein älteres, erfahrenes Tier, das in besseren
Tagen vielleicht auch schon mal der Alphamann war. Nun ist
es der Prügelknabe – wenn irgendetwas schief läuft
im Verbund lässt man ihn das spüren. Ferner geht
er nicht mit auf die Jagd, sondern kümmert sich um die
Aufzucht der Jungtiere. Kurz: Er ist der Sozialpädagoge
vom Dienst.
Montag, 28. Juli 2008
Wenn es am schönsten ist, soll
man aufhören. Die meisten der circa 2.000 Fans, die das
Team Gerolsteiner heute zum letzten Mal nach einer Tour de
France in der Heimat zurückempfangen haben, sehen das
allerdings ganz und gar nicht so. Auch ich, Mann des Worts,
nicht des Sports, habe während der letzten drei Wochen
bei der Plackerei auf französischen Straßen täglich
im Fernsehen mitgefiebert, da ist es schon cool, wenn die
Jungs in cyan plötzlich direkt vor einem stehen.
Das Team zum Anfassen brachte zweimal
das Gelbe Trikot, mehrmals den kämpferischsten Fahrer,
den bestplazierten Deutschen, den Bergsieger, den Drittplazierten
der gesamten Tour sowie keinerlei Dopingverdacht mit nach
Hause – da hätten sich viele gewünscht, dass
der Chef vom Sprudel (für Auswärtige: Gerolsteiner
Brunnen GmbH & Co. KG) nochmal prüfend tief im
Portemonnaie kramt und verkündet: »Leute, wir
haben uns das überlegt, wir sponsern das Team noch weiter!«
Doch nebbich, es müssen wohl zuviele Flaschen Drees verkauft
werden, um die mittlerweile zehnjährige Tradition fortzuführen.
Schade um die Mannschaft des netten Herrn Holczer, die ohne
Edelhelfer wohl auseinanderbricht.
Doch wer weiß: Vielleicht hat
er hier gerade die rettende SMS vom neuen Sponsor bekommen
…
Abends wieder Kirmes-Feuerwerk. Diesmal genossen wir es
quasi auf Augenhöhe, mit unverbaubarem Blick von der
Löwenburg aus.
(Dass die Bilder ein wenig verwackelt sind, liegt nicht daran,
dass ich (schon wieder!) kein Stativ zur Hand hatte, sondern
daran, dass ich mir (schon wieder!) das Lachen über eine
Frau verbeißen musste, die neben mir ebenfalls knipste
– mit Blitzlicht …)
Dienstag, 29. Juli 2008
Wer noch etwas Kirmesgeld übrig hat, kann und sollte
es in die CD »13th Star« von Fish investieren,
die höre ich während der Bastelei hier auch ständig.
Mein Name ist Langens. Thomas Langens.
»Bis bald!« |