Fettdonnerstag,
2. März 2000 |
Blöder
Name, was? Der rührt daher, daß an diesem Tage früher das
restliche Fett verarbeitet und an Fastnacht verspiesen werden
mußte, weil danach erstmal 40 Tage in der Wüste angesagt
waren. Macht aber heute keiner mehr. Genug Volkstumspflege.
11 Uhr 11 habe ich verpaßt: Ich war am Kacken. (Das
darf ich hier im Rheinland auch keinem sagen.) Unten in
der Straße tummelt sich jeckes Volk. Die Frolleins zeigen
schon verdammt viel Bein. Brrr. Immer noch rätselhaft, warum
die den Karneval nicht in den Sommer verlegen – vielleicht
weil mann dann man vor lauter Titten nicht mehr atmen könnte,
siehe Loveparade oder Karneval in Rio.
Noch
ein Tipp für die Frühjahrsdiät: diario trollo
– hier krieg jeder sein Fett weg!
Was
ist denn da in Mosambik los: Das ganze Land versäuft
und alle gucken zu. Alles beklagt die mangelnde Hilfe vom
Ausland. Faszinierend: Nur 5 Hubis im Einsatz, aber jeden
Tag frische Bilder in den News!
Vielleicht sollte Helmut Kohl dort Asyl beantragen. Er könnte
binnen kürzester Zeit massig Hilfe von seinen Spezis organisieren.
Mit den neuerlichen sechs Millionen Mark hat es ja auch
geklappt.
Und erst in Rumänien: Da öffnen jetzt alle Giftschleudern
ihre Kloake, fällt ja nicht weiter auf. Die Nachrichten
melden erneutes Fischsterben in der Theis – hm, ich
dachte, die wären schon alle hin …
Und nun eine Novität: Ich fahre in Urlaub.
Das ist an sich ja nichts besonderes. Zu Erklärung:
Ich mache mir nichts aus Wegfahren und große weite
Welt. Das versteht zwar keiner, ist aber so. Meinem Schätzchen
zuliebe flüchte ich mit ihr vor dem Karneval. Wer sich
wie ich nicht für so was interessiert, kann es bequem
überspringen. Im Folgenden also
mein:

Sonntag,
5. März 2000
19:10
Uhr
Irgendwo im Luftraum Köln. Nun wird es aber höchste
Eisenbahn für den ersten Eintrag ins Logbuch. Mer han de
Dom in Kölle jelosse. Das Einchecken und Warten am Flughafen
Köln-Bonn spare ich aus. Jeder, der mal geflogen ist –
nicht im privaten Learjet – weiß, daß Schlachtvieh
ähnlich abgefertigt wird. Nur ohne Bolzenschuß.
Kann man dem Display trauen?! Wir hatten bereits 17 Meter
Flughöhe – und das vor dem Start! Wenn sich der Captain
darauf verläßt, dann Prost Mahlzeit bei der Landung …
19:45
Uhr
Immer noch in der Luft, circa über Genf. Mittlerweile sind
wir 33.000 Fuß hoch. Hey, die Frau rechts neben mir wundert
sich aber, was dieser Kerl da neben ihr in dieser Höhe so
dringendes aufzuschreiben hat. »Na, kannst Du das
lesen, Alte?!« (Sie kann nicht, hihihi.)
Tja, die sitzt ja auch am Gang und kann Zeitung lesen. Die
Welt am Sonntag ist bestimmt ein tolles Blatt –
aber eindeutig ungeeignet für den Mittelsitz einer 737 und
Leute meiner Statur, die froh sind, ihre Notizen acho krachoque
in ihr 8-mal-11-Blöckchen zu schmieren.
Ich genieße meine Klaustrophobie, indem ich den Gurt noch
etwas enger ziehe. Bewegen is nich und Sehen auch nicht
– ist das ein verdammtes CT?! In jeder U-Bahn ist die
Aussicht besser.
Gerade
haben die Stewardessen die Miniatur-Mahlzeiten serviert
und nachdem ich mich mit Heißhunger daraufgestürzt habe
– nirgends hat man größeren Appetit als im Flieger
(außer vielleicht in Moçambique …) – und wieder abgeräumt.
(Erzähl mir bitte bei Gelegenheit mal einer, was der spezifische
Reiz dieses Berufes ist. OK, man sieht ne Menge Flughäfen
…)
Diese feinen kleinen Speisen muten genauso geheimnisvoll
an wie das Dauergrinsen des Flugpersonals.
20:02
Uhr
Marseilles, wenn ich das richtig sehe.
Nun geht wieder das Fernsehgedudel los. Da kann ich auch
zuhause bleiben und an Nachbars Wand laustern. Man annonciert
gerade lautstark die Angebote des DutyFree-Shops an Bord.
Nanu? Ist das doch eine Kaffeefahrt? (Aussteigen
ist auch schwer zur Zeit.) Und: Ist Spanien nicht mehr in
der EU?!
20:50
Uhr
Landung in Palma, es ist ziemlich windig …
21:30
Uhr
Warum muß der Aeroport hier so groß sein, beziehungsweise
wir am hintersten Gate andocken? Wir haben – schon!
– unser Gepäck und hocken in einem Bus, dessen Fahrer
wohl auch bald Feierabend machen möchte …
Mein
erster Eindruck von den Spaniensern als ich im Shuttle sitze:
Sie sind wohl ziemlich klein (Kopfstütze endet oberhalb
meines 7. Halswirbels, das nennt man wohl Sollbruchstelle)
und haben's gerne warm, anders ist die Standheizung nicht
zu erklären.
24:00
Uhr
Hotel Playa Port Vell – angekommen!
Montag, 6. März 2000
1:00
Uhr
Diese Hoteliers sind echt feine Kerle, hatten noch was vom
Buffet für uns gerettet.
Unser Zimmer ist nicht schlecht, weil eigentlich Apartimento
oder Apartment oder Appartemong. Mit Schlafzimmer und
Wohnzimmer – falls man mal Gäste hat – nebst integrierter
Miniküche. Doch was heißt hier mini: Ich kenne Doktoren,
deren Kombüse noch kleiner ist.
In Bad
und WC ist auch alles OK; meine Güte, das klingt so spießig,
als könnte man in Deutschland bedenkenlos aus jeder Kloschüssel
essen. Und wir haben High-Tzung! Das Bett, mein wichtigstes
Möbel, ist von erträglicher Dimension und Konsistenz. Jetzt
erst mal buenas noches!
7:30
Uhr
Morgen. Ich bin tot. Oder mein Rücken erledigt das demnächst
für mich.
Das
wichtigste Feature von dem Schuppen konnte ich gestern in
der Stille der Nacht noch gar nicht würdigen: die hervorragende
Akustik! Ich fühle mich fast wie zuhause, ich kann das Gehuste
und Gebrabbel von nebenan vorzüglich hören. Macht mein Nachbar
auch hier Urlaub?! Unsere hiesigen Nachbarn haben auch einen
ähnlichen Musikgeschmack wie die in Aachen, Eifel 69,
ADAC und Groundhog Gang. Der Teufel hole den
Erfinder dieses billigen Spritzgußbetons! Und stecke ihn
in den gleichen Kessel wie den Designer des Tiefspülers!
9:30
Uhr
Beim Inspizieren des Hotels sah ich unsere Nachbarn: 3 Büchsenbiertrinker
in schwarzer Lederkluft! Buenas noches!
9:54
Uhr
An sich ist das Hotel nicht schlecht: direkt am Meer, fernab
von anderen Hotels, Baustellen oder Fernstraßen. Recht neu,
gepflegt, Pool, Hallenbad, Sauna, Muckibude und – was
mich an Sport interessiert – ein üppiges Büfett.
Hier laßt uns Hütten bauen.
10:30
Uhr
Die hyperaktive Reiseleitung von alltours tut außerdem
einiges, um gar nicht erst Langeweile aufkommen zu lassen.
It's so easy. Fitneßangebote hier, Inselrundfahrten da.
Hier gibt es ja die berühmten schwarzen Schweine von Mallorca,
wie unser Reiseleiter zu berichten weiß. Hey, ich habe die
schon gesehen, sie wohnen im Zimmer nebenan!
Wir fragten, ob wir ein anderes Apartment haben könnten.
Könnten wir, ist aber auf der anderen Seite des Hotels,
Erdgeschoß mit unverbaubarem Blick auf dem Kinderspielplatz
… Dilemma!
23:00
Uhr
Hauptaktion des heutigen Tages: Wir sind zum Aldi gegangen.
Wow, big deal! Nun ja, der Weg ist das Ziel, eigentlich
sind wir den Strand entlang ein paar Kilometer nach Süden
spaziert und am Ende unseres Weges stand halt besagter Aldi
Supermercado. Hat aber nichts mit unserem Albrecht Discount
zu tun, komplett anderes Sortimento.
Am Abend
haben die Teamer vom club alltoura ihre Version des
Musicals Cats aufgeführt. Wir sahen es – naja.
Auf jeden Fall eine Kunstform, deren Reiz mir wohl auf ewig
unerschlossen bleiben wird.
Los
Krawalleros von nebenan scheinen mitunter doch recht umgänglich
zu sein. Auf ihren Kutten steht was von Motorsportclub
Hennef. Zuerst las ich bei allen Dreien Detlef.
Und hey, wundert das sehr?! Drei Jungens im besten Alter
teilen sich ein Zimmer … Außerdem steht im Reiseführer,
daß es in der Kathedrale von Palma die größte Rosette
der Welt gibt, knapp elf Meter Durchmesser – das
muß das Paradies für Schwule sein.
Vielleicht
sollte ich die Gegebenheiten ganz allgemein beschreiben.
Dazu greife ich gerne auf einen Telephonatfetzen zurück,
den ich heute mittag durch die Betonmembran aufschnappen
durfte: »Hallo, ich bin's … aus Mallorca … das
Wasser ist blau, der Himmel auch, schöne Temperatur.«
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Die
Verpflegung ist … genießbar. Frühstück und Abendbrot auf
Buffetbasis, mit den martialischen Begleiterscheinungen.
Leider alles ein wenig zu kontinental. Ich würde morgens
zum Beispiel gerne mal hiesige Spezialitäten essen, Fisch,
von dem man 100 Jahre alt wird, oder geheimnisvolle Käsesorten,
die kein Mensch aussprechen kann, statt Brötchen mit Marmelade
und Nucilla.
Die
anderen Gäste (komplett deutsch) sind nicht sehr kontaktfreudig,
worum ich aber nicht traurig bin, sie sind nämlich auch
ziemlich uninteressant. Der Altersdurchschnitt beträgt gemütliche
55 Jahre. Ich bin darauf ohnehin nicht scharf: Bei meinem
letzten Hotelurlaub saßen wir mit einem Paar am Tisch, welches
sich unablässig darüber beklagte, daß Urlaub Geld kostet.
Hey, das kann ich auch zuhause.
Der
nächste größere Ort ist Cala Millor - also, wir waren
kurz mal da, aber einen kahlen Müller haben wir nicht
gesehen …
Dienstag, 7. März 2000
8:13
Uhr
Wenn man mich so reden hört, äh schreiben liest, könnte
man glatt meinen, ich sei ein miesepetriger Stiesel. Nun
ja, zum einen bin ich das ja auch, zum anderen schreibe
ich natürlich nicht über Sachen, die ganz gut bis sehr toll
sind. Spott und Zynismus sind viel unterhaltsamer. Man muß
Ärgernisse halt genießen können, das ist der Trick. Und
die schönen Dinge genießt man sowieso und schweigt –
schließlich ist oft auch der Jugendschutz tangiert …
MEMO:
Zum guten Ton gehört es hier, daß die Männer der holden
Weiblichkeit hinterherpfeifen. Tja, auch der Mallorquiner
will sein Erbgut weit streuen.
10:30
Uhr
Willkommen in Zimmer 018. Zimmer 018?! Genau, Kinderspielplatz!
Nachdem die Krakeelbrüder heute nacht um halb zwei lautstark
von ihrer Zechtour zurückkehrten, war abermals Anlaß zum
Gang an die Reception. Nun sind wir auf der Südseite, das
Zimmer ist etwas kleiner, dafür schön sonnengewärmt, und
wir haben Meerblick.
14:30
Uhr
Wir sitzen in Costa de los Pinos an einer Bucht.
Man macht gerade ein Pic von mir. Die Wellen wogen und zerklüften
die Klippen und wohl auch jeden Schwimmer, der sich da hereintraut.
Hier könnte ich wundervolle Aquarelle malen: Wasser ist
genug da.
15:15
Uhr
Das erste Hefe der Reise. Echtes Paulaner, serviert
von einer deutschsprachigen Italienerin. Mein Schätzchen
trinkt Café con lecce. Was sie da wohl bestellt hat?
Eigentlich soll es Milchkaffe sein, schmeckt aber wie Espresso.
Heißt con lecce am Ende Hammer vor de Kopp?
Zum
Essen hat sich Thomsi Schwertfisch bestellt. Fuck the WWF.
Eine Reminiszenz an vergangene mediterrane Erfahrungen.
Es wimmelt von Katzen allüberall. Und die hier im LA ZATTERA
(»Sprechen in deutSCH Spanisch Italienisch«)
sind gar net dumm: Scharwenzeln mit heftigem Gejammer um
einen herum, sobald der Swordfish serviert ist. »Maunz,
gib mir was!« No chance!
Mittwoch, 8. März 2000
13:31
Uhr
Im Bus nach Porto Christo. Wir zerren hier den Altersdurchschnitt
in ungeahnte Tiefen.
15:19
Uhr
Die Cuevas del Drach haben wir ausgelassen –
eine Stunde im T-Shirt durch kühle Gruften spazieren ist
vielleicht nicht das wahre.
Man bietet hier für jeden was: Die kühlen, feuchten Höhlen
von Porto Christo – ist also auch was für Lesben dabei
…
Es hat
uns schon wieder ein Hund verfolgt. Gibt es noch dümmere
Tiere? (Wahrscheinlich sagt man deshalb, sie wären die besseren
Menschen.) Merken einfach nicht, daß ich sie nicht mag.
Immerhin beißen sie nicht, was beklag ich mich eigentlich.
Gestern das Hündchen kniff – nach Kilometern der Begleitung
– den Schwanz ein, als es den Hofhund vom Anwesen neben
unserem Hotel roch. Heute der war bereits ein solches Kalb,
der hätte wohl erst bei einem Stier gekniffen.
Memo:
Bin scheint's allergisch gegen Pinienblütenpollen. Oder
algerisch? Ist schließlich nicht weit …
In der
Sonne leuchtende Zitronen am Zitronenbäume sind echt nicht
schlecht. Ich dachte immer, die wachsen in Netzen.
18:30
Uhr
Das Abendprogramm ist wirklich enttäuschend. Die Animateure
(nein, die zeichnen keine Disneyfilme) legen sich mords
ins Zeug und belegen wiedereinmal, daß gut gemeint
das blanke Gegenteil von gut gemacht ist. Gestern
vertrieben sie uns mit einer Comedy-Show aus der Bar: Gespielte
Witze mit dem Charme eines Witzebuches aus den Sechzigern.
Mir würde es wohl besser gefallen, die ließen die Bar Bar
sein, ich brauchte dann nur ein paar Leute und feines Gesöffs
zur Unterhaltung.
Heute Abend heißt die Drohung »Casino«. Bingo,
wollen wir wetten?
—
23:31
Uhr
Ooops! Wette verloren. Der Spieleabend bestand aus
einem Berg Gesellschaftsspielen. Dieses Wort! Wobei die
meisten Gäste mit dem UEFA-Cup-Spiel Bayern München versus
Real Madrid (wie passend, Gäste gegen Kellner) die
Szenerie verpesteten.
MEMO
Ich wundere mich immer, daß die Hiesigen immer so nett
und vor allem so schnell buenos dias sagen. Nun erfuhr
ich, daß Guten Tag auf Katalan sowieso nur bon dia
heißt!
Donnerstag, 9. März 2000
10:00
Uhr
Soeben ein Auto gemietet, einen Ford Ka, it's so groovy.
Hey,
sogar die Verkäuferin im hoteleigenen Supermercado hält
mich für Robin Williams und begrüßt mich »¡Hola
Jumanji!«.
Was
ein wenig stört an den Stränden und strandnahen Siedlungen
sind die vielen Biergärten, Dutty Free Shops
und Touristen mit Socken in den Sandalen. Im Sommerloch
werden wohl wieder einige Mallorca als 17 Bundesland reklamieren
– ist es das nicht längst?!
Wir
hätten beinahe unser Auto verwechselt, hier wimmelt es vor
Leih-Kas. Nein, nicht die edlen Photoapparate, die Bonsai-Mietwagen
von Ford.
19:00
Uhr
Der erste Sonnenbrand des Jahres, ach was sag ich, des Jahrtausends.
Wahrscheinlich wird mich unser Zentralgestirn in Deutschland
nicht wieder so lange zu Gesicht bekommen.
Dachte
heute schon, wir müßten elendig verhungern und verdursten.
Die mitgebrachten Scheine waren allesamt dem mallorquinischen
Wirtschaftskreislauf eingeflößt. Als beste Methode des Sortentauschs
empfiehlt jeder Reiseführer das Geldziehen am EC-Automaten
hier vor Ort. Aber Piependeckel! Die ersten beiden Geduldsautomaten
von Telebanco verweigerten die Ausgabe, das aber
gaben sie uns schriftlich: »Diese Operation ist
nicht genehmigt. Bitte kontaktieren Sie Ihre Bank. Gracias
por su visita.«
Na prima, soll ich der Sparkasse jetzt eine Ansichtskarte
schicken, oder was?! Ich will Knete sehen, aber derepente!
Nach langem Gegurke fanden wir den Hoffnungsträger: Eine
Filiale der Deutschen Bank. An sich schreibt Marius
Müller-Westernhagen ja nur grenzdebile Texte, aber hier
hat er ausnahmsweise recht:
»Glaubst
du an den lieben Gott? Glaubst du an Guevara?
Ich glaube an die Deutsche Bank, denn die zahlt aus in
ba-ar.«
Und
das tat sie dann auch. Heute Abend wird der Sangria wieder
strömen können und das muß er auch, denn es ist wieder »Musical-Abend«
…
23:15
Uhr
Weia, bin auch nix mehr gewöhnt. Ein paar litros Sangria
und ich bin am Ende; erst heute habe ich festgestellt, daß
die Hotelbar auch Hefeweizen führt. Und ich zieh mir diesen
Rotweinsaft rein!
German
TV hamwa auch hier. Mir fellt nur vom Balkon die Aussicht
op de Dom. (In Aachen hab ich die tatsächlich.)
Wir mußten heute feststellen, daß die Insel doch zu groß
ist für nur einen Urlaub. Wir sind den ganzen Tag
durch die Landschaft gejuckelt und haben doch nur den nordöstliche
Zipfel bereist. Und die super Angebote hier vor Ort konnten
wir noch kaum nutzen: Volleyball, Bogenschießen und die
Extremsportarten Boccia und Dart.
(Hey,
das Musical von den Animateusen war gar nicht schlecht.
Insbesondere die Herren scheinen – mit arschblonder
Langhaarfrisur und Nußknackergesicht – ohnehin einem
Disney-Zeichentrick entsprungen, das schöne Biest nach der
Rückverwandlung oder so was.
Freitag, 10. März 2000
14:45
Uhr
Kreisverkehr vor Petra. Eine geheimnisvoll wirkende
Klostermauer? Als wir drin sind: Ein Friedhof mit Grüften
aus Beton. Sehr ungemütlich. Da lebe ich doch lieber.
15:45
Uhr
Gestern habe ich mich noch köstlich über den Reiseführer
amüsiert, der im Mini-Wörterbuch so gebräuchliche Wörter
wie Zicklein verzeichnet hat – heute sitze ich
im Restaurant auf dem Puig d'Inca und habe ein solches
bestellt!
Samstag, 11. März 2000
13:00
Uhr
Letzter Tag. Relativ, morgen fliegen wir um sieben.
Dieses
Costa de los Pinos gefällt mir: ziemlich abgelegen,
wenig Touris, schroffe Klippen und kühle Pinos. Es heißt,
Boris Becker habe seine Villa hier irgendwo. Der Schmidt
auch. Mir egal.
Nach dem Paulaner hier knallen wir uns nachher noch an den
Strand. (An den Strand, nicht am Strand!)
Wird bestimmt lustig: TL mit Sonnenbrand im kalten Alemaña.
Vamos a la playa!
16:30
Uhr
Wieder im Hotel. Weia, dieses Weizen hatte es in sich
… Nun, das mit dem Sonnenbrand habe ich fein hingekriegt,
autsch.
Der Strand ist zwar voll von getrockneten länglichen Blättern
– Seegras? – und handgranatengroßen braunen Ballen
– tumbling weed? ein gebrauchtes Gebüsch? Kamelköttel?
–, aber dafür herrlich einsam.
23:05
Uhr
Eben noch die Darbietungen der Animatoren genossen,
mittlerweile alles gepackt – für die Rückreise packen
geht viiiel schneller, einfach alles irgendwo neigestopft.
Nun liege ich bäuchlings auf dem Bett und überlege, was
zu tun. Entweder doch eine Mütze Schlaf oder tapfer durchgemacht
bis um drei a.m., dann nämlich soll uns der Shuttlebus nach
Palma zum Aeroport bringen, wo wir irgendwann einchecken
und um sieben Uhr sonstwas den Rückflug antreten werden.
nach Kölle, wo uns der Doktor um kurz vor zehn hoffentlich
sehnsüchtigst erwartet.
OK,
die Warterei mitten in der Nacht ist doof, aber hey, es
gibt Schlimmeres. ZUM BEISPIEL, DASS ICH DEN FORMEL1-START
IN MELBOURNE UM 400 MEZ VERPASSE!!! So was Dummes, da bin
ich schon in dieser Herrgottsfrühe wach und kann ihn trotzdem
nicht sehen, weil ich im Omnibus nach Palma juckle.
Samstag, 11. März 2000
0:06
Uhr
Hey, gleich ist Bond, James Bond.
Die Frage, wie ich das bißchen Nacht verbringen soll, beantwortet
sich wohl selbst: Während mein Schätzchen hier neben mir
schläft, schaue ich dem Zeiger beim Rotieren zu. Wenn
er das denn mal täte! Vielleicht sollte ich den Erdplatten
bei der Tektonik zuschauen.
Nun,
schöne Gelegenheit, ein kleines Fazit zu ziehen.
[Anmerkung des Typographen: Hey, das muß auch noch einer
abtippen!!!] Immer mit der Prämisse, daß ich
mir ja eigentlich nichts aus Urlaub mache!
An sich ist das alles ja ganz nett, könnte mich schon
fast dran gewöhnen. »Schöne Temperaturen«,
Zimmer 20 Meter vom Strand, zwei vertraglich zugesicherte
Mahlzeiten am Tag und vier Animateure, die sich mächtig
ins Zeug legen, falls man mit sich selbst nichts anzufangen
weiß. Die Gefahr bestand ja nun nicht.
Verschwiegen werden sollen nicht die romantischen Stunden
mit meinem Schätzchen …
Dennoch
glaube ich nicht, daß ich nochmal hierher zurückkommen muß
– es sei denn, ich vergesse gleich meine Kamera oder
so.
Die Sehenswürdigkeiten hier herum sind sehenswürdig und
das wären sie woanders auch. Und sie wären es wohl auch,
wenn ich sie nicht sehen würde … Man muß wohl mit der richtigen
Einstellung antreten, um hier das volle Touri-Programm abzureißen.
Diese Mittelmeerinseln sehen sich dann doch zu ähnlich und
kennste eine …
0:30
Uhr
Ich krieg die Nacht nicht klein!
2:35
Uhr
Mrgn. Das ist unmenschlich, ruf mal bitte einer bei
Amnesty an!
2:58
Uhr
So wie es aussieht, können wir noch frühstücken, da
steht schon was bereit. Mein Magen ist jedoch noch nicht
wach. Der Bus draußen heizt schon mal vor und wir warten,
daß der Fahrer aufgeraucht hat.
3:15
Uhr
Wir fahren ab. Adéu, ihr berlinernden Berliner und
sonstigen Ossis, adéu, ihr Laras, Leas und Lauras aus dem
Miniclub.
5:00
Uhr
Wir kommen an. Knapp zwei Stunden für 60
Kilometer: Das nächste Mal Taxi!
5:59
Uhr
Embarcando. Wußte gar nicht, daß Paderborn einen
Flughafen hat. Und das beste: Es fliegt sogar eine Maschine
hin.
Meine
Pusteln an Hals und Händen jucken immer noch scheußlich.
Sonnenallergie. Komisch, ich dachte, man wird nur allergisch
gegen Sachen, denen man ausgesetzt ist. Die liebe Sonne
hat mich doch jahrelang nicht gesehen.
6:10
Uhr
Nun sitzen wir hier an Gate D67, geboardet wie sonstnochwas
und der Flug nach Colonia geht erst in einer Stunde. (Kann
ein Flug eigentlich gehen?!)
Noch
ein bißchen Resümee gefällig? Bitteschön: Vor knapp einer
Woche kamen wir hier an, aber mir kommt's vor, als wäre
es ein Tag gewesen. Aus sozialer Sicht gab die Reise wenig
her. Keine Urlaubsbekanntschaften, denen man Adressen gibt
und am nächsten Weihnachten kein Kärtchen schreibt.
Die ganzen Klischees »Sonne, Strand und Samenstau«
trafen wir nicht an, auch nicht »Prolos, Putzfrauen,
Prominente«. Die Reise werde ich dann demnächst Revue
passieren lassen, bei einem Themenabend auf RTL2 »Titten
auf Malle«.
Da rollt
gerade unser Flieger rein. (Wie weltgewandt ich Flieger
schreibe!) Momentemal: Aus unserem Flieger kommen
Leute raus! Scheiß Urlauber. Ich hoffe, die Stewards lüften
mal tüchtig, fliegen eine Ehrenrunde über den Platz. Das
ist nämlich das, was neben der beklemmenden Enge (beengenden
Klemme?) am meisten zu schaffen macht: der unglaubliche,
durch Aircondischen nur alibihaft gefilterte Mief.
6:28
Uhr
Ja will die Sonne heute nicht mehr aufgehen? Und müssen
immer diese Wohlstandsratten mit an Bord sein. Der verspielte
Köter da am Boden sieht aus wie sein Herrchen, nur 100 Kilo
leichter. Oder Frauchen, das macht in dem Fall keinen Unterschied.
6:38
Uhr
Na also, dem Morgen graut.
7:15
Uhr
Die Sonne geht auf.
7:20
Uhr
Wir gehen auf. Äh, hoch. Ich hoffe, die alte Kuh links
neben mir atmet fortan nicht mehr in meine Richtung. Oder
hört am besten komplett damit auf. Ihr scheiß Ellenbogen
in meinen Rippen nervt nämlich auch. Sonst lese ich auch
Zeitung!
7:40
Uhr
Das fleißige Bordpersonal beginnt, die Freßpakete zu
servieren, 9380 Meter über Menorca. Hoffentlich ist ein
ornsliches Stück Fleisch dabei. Für andere Leute ist vielleicht
Frühstückszeit, bei mir ist Mittag!
8:10
Uhr
Kurz vor Frankreich. Eine hungrige Mahlzeit über den
Wolken.
MEMO:
Nie mehr Frühstücksflug.
8:15
Uhr
Ich sehe die Alpen. Das heißt, wenn sie es sind, dort
unterm Wolkenteppich. Ein Traum. Und was tun wir Profanes
hier? Fressen!
9:02
Uhr
Was ist jetzt? Ein Motorschaden? Die Stewardeß guckt
schon kritisch. Wir stürzen doch ab? Hurra! Oder nicht:
Die Alte neben mir ist am Schnorcheln …
9:09
Uhr
So friedlich liegt es da, das Saarland. Man möchte
meinen, die hätten 400 Meter Neuschnee bekommen. Über den
Wolken, hach! Das ist doch was für die Optimisten: Auch
wenn's unten regnet, oben scheint die Sonne. Aber man sollte
das nicht so romantisch sehen. Schließlich sehen die Wolken
von oben auch nur aus wie weißer Schimmel. (Nein, keine
Tautologie! Ich meine diesen fiesen, an feuchten organischen
Stoffen und Körpern sich bildenden von Pilzen hervorgerufenen
Überzug.)
10:10
Uhr
Landung, Gepäck, Autobahn. Nun auf halben Weg nach
Aachen.
11:00
Uhr
Finally at home. Habe doch ein Mitbringsel von Mallorca:
Gesunde Gesichtsbräune. Und drei Kilo mehr auf den Rippen
…
Schon
wieder zwei Tage daheim, Zeit, das Versäumte aufzuholen.
Doch: Habe ich hier eigentlich etwas versäumt?! An der politischen
Großwetterlage hat sich kaum etwas getan. Nur in der Wirtschaft
tut sich noch was these days: Deutsche und Dresdner
Bank wollen 16.000 Jobs wegfusionieren. Und lästige
Kleinsparer quittwerden.
Mein Lieblingsthema – Fernseh – dümpelt ebenfalls
vor sich hin. Der einzige Skandal: Big Brother. Nein,
ich meine nicht die Verletzung der Menschenwürde der Teilnehmer.
Eher die der Zuschauer. Ist ja todsterbenslangweilig,
das ist der Skandal! Da ist ja sogar meine eremitäre Existenz
interessanter. (Genaugenommen ist dies Tagebuch ja so etwas
ähnliches, nur ohne Filmchen.)
Hey, wie wär's? Wir stopfen das CDU-Präsidium in den Container
und wer da lebendig wieder rauskommt, darf die Schwarzen
Löcher verwalten.
Ich
war ein Woche von der Leine, daher: Gibt es eigentlich noch
Moorhühner?
 Ich
höre, Deutschland braucht indische Computerspezialisten.
Inder für das Indernet. (Zehn Mark in die Kalauerkasse!!!)
Bitteschön, hier ist mein indischer Zwillingsbruder Samoht:
Ein paar Fragen hätte ich wohl noch:
1.) Sind diese Inder wirklich so gut?
Und 2.) Warum sollten die dann nach Deutschland wollen?!
Hier Entwicklungshilfe leisten? Die wollen bestimmt keine
Greencards, die wollen Greenbacks. Oder wenigstens ein paar
volatile Aktienpakete.
Bin
ich eigentlich der einzige westlich des Urals, der keine
Aktien besitzt?! Auch keine Fonds! Ich spiele weiter
Lotto. So!
Folgt diese Börsenmanie eigentlich logisch auf das Scheitern
des surreal vegetierenden Sozialismus'? Ich warte darauf,
daß immer mehr Arbeitnehmer ihre Kündigung fordern,
um dadurch ihren Shareholdervalue nach oben zu peitschen.
Donnerstag,
16. März 2000 |
Es
gibt noch Moorhühner. Und noch viel mehr Jäger
derselben. Und Cheats im Netz. Meine Güte, letzten Monat
sagte ich noch, es gäbe kein Dauerfeuer in dem Spiel –
mittlerweile gibt's welches! Allerdings werden die Ergebnisse
damit auch nicht besser … Außerdem kann man die Zeit verlängern
und den Highscore faken.
Welch erschütterndes Dokument menschlicher Ingenieurskunst!
Wozu, bitteschön, brauchen wir eigentlich PC-Spezialisten
aus Indien, wo unsere eigenen Leute anscheinend nix zu tun
haben?! Fehlt nur noch Auto-Aiming und ein Cheat, mit dem
die Hühner gleich gebraten vom Himmel fallen. Das ist dann
Spielvergnügen total …
Kiss
me, I'm Irish!
War
mit dem Doktor mal wieder im Doofgarten, St. Pat's Day
feiern. Er erzählte mir, daß er »Soloalbum«
von Benjamin v. Stuckrad-Barre gelesen habe, beziehungsweise
damit angefangen. Ein Drittel hat er ausgehalten, dann wurde
es ihm zu dumm. (Ich las es komplett, puh.) Es fehlt ihm
an Handlung, es trieft vor lauter durch nichts gerechtfertigte
Lobhudelei für Oasis, und auch das dauernde Lamentieren
geht einem mit der Zeit gehörig auf den Nerv.
Mein Kommentar: »Da kannst Du ja gleich mein Tagebuch
lesen!«
Daraufhin er: »… genau!«
Knurr!
Das beste an dem Bändchen sind die Klappentexte von Harald
Schmidt und Harry Rowohlt. Will es jemand haben? Ich verschenke
es!
More
Huhnpunkte: 950, ohne Cheats. Es geht also doch noch
weiter – wenn man die Cursortasten zum Scrollen benutzt!
Dann geht es zügig hin und her, ein Gefühl wie in der Flak.
Allerdings fehlt mir der Vergleich …
Und noch ein Tip: Mit Ton spielen, auch wenn's nervt. Neien,
das gibt kein geileres Gefühl, aber man hört, wenn sich
so ein Federvieh direkt vor der Flinte aufbaut und gibt
ihm sofort eins zwischen die Augen, jahaa, Blut, jaa, schieß
es kaputt, jahaha, jajaja …
Stefan
Raab hat heute Zlatko aus der Big-Brother-WG zum
Deppen ehrenhalber erklärt. Das ist nur vordergründig diskriminierend;
wenn Raabi sich ihn auch in den folgenden Wochen als Maskottchen
wählt, wird der Kerl die Viertelmio holen. Auf jeden Fall
wird er uns im Anschluß in allen Talkshows beehren, o Graus.
Aber er ist ja auch der beste, zum Beispiel beim Kreuzworträtsel.
Englischer Adelstitel mit vier Buchstaben? Zlatko:
»Miss« …
995
Mohrhuhnpunkte, schaffe ich den Tausi noch?
Donnerstag,
23. März 2000 |
Tz,
ich dachte, diese Worker-Hosen, Cargo-Pants und
Combat-Trousers seien nun langsam wieder out. Nebbich,
voll aktuell, die Teile. Denn wo sonst soll der modernen
Homo communicationis all seine Handys, Pager, PalmTops
und PDAs unterkriegen, wenn nicht in diesen praktischen
Taschen.
Hätte es das mal zu meiner Zeit gegeben! Nein, ich mußte
mir die Gesäßtaschen häßlich ausbeulen, dabei schaut die
Damenwelt doch zuallererst auf den Knackarsch, wenn ich
meiner Zahnarztlektüre glauben darf.
(Gibt es Pager überhaupt noch?)
Na
also, nun die vorläufige Pointe – nur für die
Akten:
Die Stasi wußte seit den 70ern vom zwielichtigen Finanzgebaren
der CDU!
Noch rasch den Monat vollmachen.
Gestern abend war ich übrigens mit Anja unterwegs.
(Das steht da nur, um sie zu ärgern. So, jetzt stehst
Du auch im Internet!)
Irgendwie
Sind wir alle kleine Ärsche,
Irgendwie
Sind wir häßlich und gemein
ARNIM TÖPEL
Auf Wiederlesen im April,
troll …
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