Sonntag, 2. Dezember 2007
Es begab sich anno 1988 im Deutsch-Leistungskurs, dass uns
der Lehrer – im weiteren Oe genannt – in Paararbeit
ein Referat anzufertigen hieß. Ein fader Vortrag, wie
öde! Einleitung, Hauptteil, Schluss – und keiner
hört zu. Ich beschloss daher – zumal uns Zeit genug
eingeräumt wurde – stattdessen ein weiteres Werk
der Filmkunst zu erstellen.
Damals schrieb ich gar nicht so gerne. Und las auch nicht
viel. Der Himmel weiß, was mich in den D-LK verschlagen
hat. (Dennoch kann ich mit fester Stimme verkünden, niemals
Kindlers Literaturlexikon als unlauteres Hilfsmittel
benutzt zu haben.)
Die zweite Hälfte meines Paares ward schnell gefunden
und von diesem Unterfangen überzeugt. Sie – liebevoll
Juhudith genannt – konnte nämlich aufgrund einer
massiver Bandage an der unteren Extremität nicht entfliehen,
da sie mit überdehntem Bande im Hospital zu ruhen geruhte,
als ich ihr kundtat, was ich uns eingebrockt. Der Oe war zunächst
nämlich alles andere als begeistert und dachte: »Das
wird wohl ein schöner Schmarren.« Doch dazu
später mehr.
Es sollte ein Abhandlung über die Erzählung »Leben
des vergnügten Schulmeisterlein Maria Wutz in Auenthal.
Eine Art Idylle« von Jean Paul aus dem Jahre 1793
werden.
»Wie war dein Leben und Sterben so sanft und meerstille,
du vergnügtes Schulmeisterlein Wutz! Der stille laue Himmel
eines Nachsommers ging nicht mit Gewölk, sondern mit Duft
um dein Leben herum«, so beginnt die fiktionale
Biographie des naiven Sonderlings Wutz. In sperriger Sprache
berichtet Jean Paul mal poetisch, mal ironisch über des
Schulmeisterleins kleines Glück in sieben Lebensstationen.
(Wer sich näher damit befassen möchte, kann dies
bei dem lobenswerten Projekt
Gutenberg kostenfrei tun.)
Nachdem Juhudith genesen war, machten wir uns ans Werk. Obwohl
uns damals ein paar hilfreiche Geister zur Seite standen,
erwiesen wir uns – lange bevor es den Begriff gab –
als ausgesprochen multitaskingfähig. So spielte ich neben
der Regie noch eine Doppelrolle – und stand manchmal
auch gleichzeitig vor und hinter der Kamera.
Unsere Schnitttechnik wirkt im digitalen Zeitalter herzallerliebst:
Nachdem wir alle Einstellungen auf klobige VHS-Kassetten gebannt
hatten, verbanden wir zwei Videorekorder und drückten
bei Rekorder Nummer 1 auf PLAY und bei Rekorder Nummer 2 auf
RECORD und spulten so lange hin und her, bis wir zehn Minuten
exquisiter Literaturverfilmung zusammenhatten.
Der Mitschülerschaft gefiel unser Film und auch Lehrer
Oe war angetan: Er gab uns 15 Punkte – mit Sternchen.
Im Jahr darauf nahm unsere Verfilmung an den Video-Filmtagen
Rheinland-Pfalz in Koblenz teil und wurde gar mit einem Förderpreis
ausgezeichnet. Nachdem man in der Kreisverwaltung dadurch
auf uns aufmerksam geworden war, wurden wir bei Landrats auch
noch mit einem Fuffi entlohnt …
Leider gingen die Urkunden in den Kriegswirren verloren.
Als bleibender Wert gibt der Streifen jedoch ein erschreckendes
Zeitzeugnis der Mode und Einrichtungskultur eines männlichen
Adoleszenten in den späten 1980er Jahren …
Damit endete meine Karriere als Filmschaffender allerdings
auch schon wieder. Weitere Versuche in diese Richtung beschränken
sich auf ein Konvolut von kleinen Zettelchen mit angefangenen
Drehbüchern, grandiosen Regieideen und hunderten zusammenhanglosen
Dialogzeilen – mein Biograph wird seine helle Freude
haben, wenn er dereinst die historisch-kritische Gesamtausgabe
meines Œuvres zusammenschustert.
Dienstag,
4. Dezember 2007
Lasst uns froh und munter sein. Am Tag vor Nikolausabend
war ich heute an so passender wie exquisiter Lokation zum
Photographieren: in der denkmalgeschützten Orgel der
Nikolauskirche. Die Klais-Orgel #503 soll gereinigt, repariert
und nach St. Foillan versetzt werden. Zum Zwecke der Spendenakquise
für dies teure Unterfangen wird von der Gemeinde ein
Prospekt hergestellt, für den ich pro bono die Bilder
des guten Stücks beisteuere. (Das sichert mir bestimmt
mildernde Umschläge beim Jüngsten Gericht.)
Sie ist die zweitälteste 0rgel Aachens (*1913)
– was ich aufgrund des inwendigen Staubs des Jahrhunderts
auch niemals anzweifeln würde –, besitzt ein vollpneumatisches
Spielwerk und gilt als besonderes Klangdenkmal der
Spätromantik. Auf zwei Manualen und Pedal vereint
sie 31 klingende Register.
(Nicht dass ich wüsste, was das bedeutet, so steht es
bloß im Prospekt …)
Samstag, 8. Dezember 2007
Irgendein Schlaumeier hat sich ausgedacht, heute abend um
acht mal weltweit fünf Minuten lang das Licht auszumachen.
Als Zeichen gegen Klima und so.
PRO7 hat es live übertragen!
Vielleicht braucht man keinen Schalter, sondern einen Taster:
Dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz – mal sehen,
ob und wer uns retten kommt.
Gleich sämtliche Stromversorgung zu kappen, wäre
natürlich konsequenter, so wie geschehen beim cerebralen
Cortex von Thomas Gottschalk um Viertel nach acht. Du liebe
Zeit, was ist »Wetten dass …?« laaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaangweilig.
Welche Umweltkatastrophe wird nach Waldsterben, Saurem Regen,
Ozonloch, Treibhauseffekt, Klima und CO2
nächstens wohl en vogue sein?
Wer etwas Sinnvolles tun möchte, kann schon mal seinen
CO2-Aussstoß halbieren –
und nur noch CO1 ausstoßen …
Dass bio übrigens noch lange nicht öko sein muss,
beweist der Basic-Biomarkt am Theater: Gesundes Grünzeug
und korrekten Körnerkram verkaufen – aber den menschenleeren
Innenraum nächtens mit hömmele Watt-Strahlern taghell
illuminieren! Die liquide Kundschaft fährt wohl nur deshalb
nicht mit dem SUV zum Biomarkt, weil's nicht genug Parkplätze
davor gibt.
Als
Alternative böte sich denn's-Biomarkt hundert Meter weiter
an. Über dessen Nachtbeleuchtungsverhalten ist mir nichts
bekannt. Allerdings sollte die Geschäftsführung
Namen und Typographie überdenken: Wer kauft schon gerne
bei einem Dennis?!
Dienstag, 11. Dezember 2007
Den Modetrend des Winters 2007 – kurzes Röckchen,
Strumpfhose und hohe Stiefel – kann ich visuell nur
gutheißen, rational jedoch nicht fassen: Wer jammert
denn da ständig, dass ihm kalt sei?
Mädels, wie eine große Philosophin aus Euren Reihen
zu sagen pflegt: Der Winter ist nicht die Jahreszeit für
Eitelkeit!
Sonntag, 16. Dezember 2007
Dienstag, 18. Dezember 2007
Irgendetwas hat mein (Aachener) Frisör nicht verstanden:
Mittwoch, 19. Dezember 2007
Rumgekugelt.
Donnerstag, 20. Dezember 2007
Es gibt wieder Neues aus der Rubrik »Private Promis«:
Da ich nachts meistens schlafe ich oder sonstwas mache,
ist mir bisher entgangen, dass eine ehemalige Mitschülerin
– und Mitstreiterin des »Pfahlwurfs« –
mich und andere allnächtlich aus dem Fernseher heraus
anguckt.
Sogar mit eigenem Eintrag
in der Wikipedia, ich bin tief beeindruckt!
Freitag, 21. Dezember 2007
Bescherung im kleinen Kreis, mit Rouladen, Rotkohl, Klößen
und dem Kleinen Lord Fauntleroy. (»Datt kenne mer
doch, datt Dingen!«)
Geschenkt wurden wechselseitig Bücher: eins der beliebten
Photobuch-Unikate mit meinem Lieblingsmodel des letzten Jahres
und »Aachen – Geschichte einer Stadt«. (Sehr
empfehlenswert: Es erzählt fundiert und detailliert Historie
und Histörchen des Pflasters, über das man tagtäglich
latscht – und macht nebenbei Lust auf ein vertiefendes
Studium der Geschichtswissenschaften.)
Samstag, 22. Dezember 2007
Bescherung im Starbucks. Wer ansonsten diesjahr brav war,
bekam Stollen und/oder Plätzchen, notfalls mit der Post.
Sonntag, 23. Dezember 2007
Was hab ich da wieder geschrieben? Weihnachten nur alle zwei
Jahre? Quatsch! Weihnachten alle zwei Wochen! Oder täglich
– dann wär der Rummel bald zuende.
Montag, 24. Dezember 2007
Wie ein weiser Mann seinerzeit sang, so auch ich heute: Weihnachten,
Weihnachten bin ich zu haus'. […] Weihnachten steh'
ich bei Mutter zuhaus', unter dem Tannenbaum.
In dieser personellen Zusammensetzung wohl zum letzten Mal,
denn für kurz vor Ostern hat sich ein Springfloh angekündigt.
(Der werdende Vater konnte noch nicht sagen, ob's ein Junge
wird oder »die kostspieligere Variante« …)
Wer weiß, vielleicht gibt es nächste Jahr gleich
mehrere Springflöhe, dann wär es eine Springflut.
Auf piktogrammatisch heißt das: »Von diesem Rotwein
wird man nicht schwanger.«
So, jetzt wird erst der Baum fertiggeschmückt, dann
sagt Dickie ein Gedicht auf, dann holen wir die Geschenke
rein, dann sehen wir uns die Weihnachtssendung (Heinz Becker)
im ersten Programm an, dann wird ausgepackt, dann wird gegessen,
und danach machen wir's uns gemütlich. Und dann trinke
ich mit meinem Schwesterchen vier Flaschen Sekt und danach
gehen wir in den Pub.
Um halb eins schon daheim – früher war mehr Lametta!
Dienstag, 25. Dezember 2007
George Michael lügt uns seit 25 Jahren an: Er singt
ständig »Last Christmas« – es kommt
aber jedes Jahr doch noch eins!
Mittwoch, 26. Dezember 2007
Wieder zuhause. Telefon und Internet kaputt. Feiert Alice
auch?!
Donnerstag, 27. Dezember 2007
Um den Dritten Weihnachtstag bei der Zweitfamilie zu verbringen,
habe ich einen der wenigen streikfreien Tage genutzt und mich
wagemutig in die Hände der Bahn AG begeben.
(Für spätere Leser zur Information: Wegen des Schwanzvergleichs
der beiden Alphatierchen Manfred Schell und Bahnchef Mehdorn
[komischer Vorname übrigens] werden derzeit ein paar
Millionen treue Bahnkunden in die Bredouille gebracht. Die
Gewerkschaft fordert u.a. 31 Prozent mehr Knete – ich
überlege ernstlich, der GDL beizutreten! Wobei: Wenn
diese Forderung berechtigt ist und die Lokführer tatsächlich
so wenig verdienen, fragt man sich, was die GDL in den letzten
Jahren gemacht hat …)
Freitag, 28. Dezember 2007
Telefon immer noch tot. Nun ist's aber gut mit der feiertäglichen
Stille!
—
Es bimmelt wieder. Zunächst dachte ich, das Problem
löse sich von allein. Doch die teure 01805-Nummer, die
ich aus Kniestigkeit erst heute per Handy anrief, riet mir
zum Handeln. Das Sprichwort, dass guter Rat teuer sei, stammt
bestimmt aus der Call-Center-Branche. Für den Tipp, mein
Modem schlicht 30 Sekunden vom Strom zu nehmen, berappte ich
einiges … (Das darf man keinem erzählen. Und schon
gar nicht ins Internet schreiben …)
Samstag, 29. Dezember 2007
Ich vermisse den Weihnachtsmarkt, rabäh!
(Archiv)
Auch vermisse ich das alteingesessene Schreibwarengeschäft
Schweitzer, das seit Jahrzehnten – bis letzte Woche
– im Erdgeschoss residierte.
Nicht vermisse ich hingegen das fußgehende Einkaufsstraßen-Volk,
dessen größte Nervfaktoren hier einmal typologisiert
sein sollen:
- Langsamgeher
- Hakenschläger
- Plötzlich-Loslatscher
- Abrupt-Stehenbleiber
- Zu-fünft-Nebeneinandergeher
- Vorbeidrängler
- In-andere-Richtung-Gucker-als-Geher
- Schwätzchen-Halter
- Orientierungslos-Rumsteher
- Schwarmbildner
- Hunde-vom-gegenseitigen-Zerfleischen-Abhalter
- Waldi-das-Trottoir-vollkoten-Lasser
Sonntag, 30. Dezember 2007
Ich glaube, unser Papst war es, der gesagt hat, dass es zum
Ende des Jahres 2007 mehr Muslime als Christen auf der Welt
gebe. Wenn er Recht hat, ist es morgen dann soweit.
Um also für den Umgang mit der am schnellsten beleidigten
Religion der Welt gewappnet zu sein, empfehle ich als Lektüre
von Henryk M. Broder »Hurra, wir kapitulieren!«.
(Viel von dem, was er schreibt, wollte ich schon längst
mal schreiben – hatte aber Angst, dass man mir die Homepage
in die Luft sprengt.)
Scharfzüngig und politisch alles andere als korrekt
legt er dar, dass das Verhalten der westlichen Welt gegenüber
dem Islam von vorauseilender Beschwichtigung und Selbstaufgabe
geprägt ist, und erinnert daran, dass Intoleranz keine
Toleranz verdient.
Abends unverhoffter Besuch aus einer Ebenfalls-noch-Zweitligastadt:
Montag, 31. Dezember 2007
Happy Birthday, Steffi!
»Mahlzeit!« –
»Bei uns wird vor dem
Essen gebetet, Herr Pfarrer!« |